Orgel-Interpretationsseminar am 05.10.2019

Erfrischender Umgang mit Bachs berühmter Toccata in d

Orgel-Interpretationsseminar mit Ludger Lohmann in Koblenz

Das Überangebot an Einspielungen, zugleich das Einfordern der Toccata in d (BWV 565) macht es der orgelspielenden Zunft nicht unbedingt einfach, sich mit diesem Stück auseinanderzusetzen.
Dass eine Darbietung und Interpretation dieses wohl populärsten Stückes der Orgelszene wirklich Freude bereiten kann, konnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Orgelinterpretationskurses mit Prof. Dr, Ludger Lohmann in Erfahrung bringen, der – auf Einladung von Dekanatskantor Joachim Aßmann – zu einem Seminar in die Koblenzer Herz-Jesu-Kirche gekommen war. Die dortige Klais-Orgel von 1959 (III – 39 Register) erwies sich als hervorragendes Unterrichtsinstrument.
Das ungestüm wirkende Werk eines etwa 2ojährigen Komponisten war somit bei dem jungen Organisten Elias Kolz in den besten Händen, einer der insgesamt 7 aktiven von insgesamt 16 Teilnehmern des Interpretationskurses.
Unter der Anleitung von Prof. Lohmann entfaltete Elias ein regelrecht mitreißendes Spiel dieses rhapsodisch wirkenden Stückes. Dabei stellte Lohmann nicht wenige, liebgewonnenen Gepflogenheiten infrage.
Natürlich wurden Fragen der Registrierung angesprochen oder eben spieltechnische Hinweise gegeben. Mit Lob nicht zu sparen und eher vorschlagend anzuleiten, zeichnete dabei die pädagogische Arbeitsweise des Stuttgarter Orgelprofessors aus. Im Laufe der beiden Arbeitsphasen wurde sehr schnell deutlich, dass das Werk immer im Mittelpunkt zu sein hat und der Prozess des Lernens nie enden kann.
Hinweise gab es auch immer wieder zum Non-legato-Spiel, etwa in Bachs Fuge Es-Dur (BWV 552,2), der sich Julia Schlothmann angenommen hatte.
Entstehungsgeschichtliche Informationen wechselten mit Hinweisen auf die Zahlensymbolik oder eben auch möglichen Deutungen bestimmter Tonanordnungen, etwa die Tonfolge des Fugenanfanges als sichtbares Kreuzzeichen zu erkennen. Die Tempoabstimmung der 3 Fugenabschnitte war hier ein Thema, auch die Beziehung der Zahlen 3 (Gott) und 4 (Welt).
In Bachs Triosonate Nr. 5 C-Dur, gespielt von Henrik Hasenberg, ging Lohmann ausführlich auf die Bedeutung und den Umgang mit Bögen im Notentext ein. Der übetechnische Impuls, die linke Hand mit 4‘+2‘ eine Oktav tiefer zu spielen (üben) und dabei der linken Hand bevorzugt das obere Manual einzuräumen, überzeugte sehr schnell.
Neben Bach kamen dann am Nachmittag, nach einer längeren Mittagspause, in der zweiten 3stündigen Arbeitsphase Werke von Buxtehude, Mendelssohn und Reger auf das Notenpult.
Die vorzeichenintensive Fuge in as-Moll von Brahms hatten gleich 2 Kursisten vorbereitet, Ulrich Theisen und Christian Rivinius, sodass ein Interpretationsvergleich angesagt war. Lohmann sprach im Zusammenhang mit diesem posthumen Brahms-Werk von einer „Etüde des Pausenspielenlernens“. Die Kunst, den 2. Ton des Themenmotives ein wenig zu dehnen und mit dem 3. Ton andeutungsweise als gemeinsames Klangerlebnis zu interpretieren, führt zu einer enormen Dichte dieser Fuge, die das Repertoire kontrapunktischer Möglichkeiten intensiv nutzt, ein regelrechtes Lehrstück.
Spannend auch die Überlegung, im Zusammenhang mit Buxtehudes e-Moll Ciaconna (Axel Wilberg) die Takte 42-45 zu wiederholen, um diese Stelle der ansonsten üblichen Wiederholung einer Figur anzupassen und somit eine größere Ausgewogenheit anzustreben.
Die „note commune“ war ein Thema in Mendelssohns „Andante religioso“ aus der IV. Orgelsonate, gespielt von Marianne Kollek-Fried. Die Anwendung dieser Spielweise in den Akkorden der rechten Hand unterstreicht eher den andachtsvollen Moment und weniger den Marschcharakter, der an die ursprüngliche Idee des Stückes erinnert.
Zum Abschluss dann Regers Melodia B-Dur aus den späten Stücken des Zyklus op. 129. Noch einmal setzte sich Elias Kolz an den Spieltisch, um mit Ludger Lohmann an dieser klangschönen Preziose zu arbeiten.
Lang anhaltender Applaus am Ende, nicht nur für Prof. Ludger Lohmann mit seiner humorvollen und absolut kompetenten Arbeitsweise, auch für den Organisator des Interpretationskurses Dekanatskantor Joachim Aßmann und schließlich für die bestens vorbereiteten Interpreten.

Gisbert Wüst

Orgelseminar am 22.09.2019

Vom „Hochglanzpolierer“ bis zum „Last-Minute-Übenden“

Workshop „Kreative Orgelmethodik“ mit Dr. Andrea Kumpe in Koblenz

Es gibt die verschiedensten Übemethoden und ganz unterschiedliche Übetypen, die sich alltäglich mit dem Thema „Orgelüben“ beschäftigen. Da sind z.B. die „Hochglanzpolierer“, die immer wieder die gleiche Stelle üben, obwohl die Passage schon längst klappt oder die „Last-Minute-Übenden“, die erst im letzten Moment vor dem nächsten Unterricht oder sogar vor dem nächsten Konzert anfangen zu Üben. Alles verschiedene Möglichkeiten, aber sind sie auch effektiv und nachhaltig?

Dies alles und vieles mehr waren Inhalte eines Orgelseminars, das am 1.September in Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen des Dekanates Koblenz in der Kirchengemeinde Herz Jesu in Koblenz stattfand. Als Referentin konnte Dr. Andrea Kumpe aus Freiburg, die sich schon seit langem mit diversen Übe- und Lehrmethoden auseinandersetzt, gewonnen werden. Sowohl in ihrer Doktorarbeit als auch in verschieden Aus- und Weiterbildungen widmet sie sich dem Thema der Musikpädagogik, respektive der Orgelmethodik. Sie arbeitet als Lehrbeauftragte an der Hochschule Luzern sowie am Leopold Mozart Zentrum der Universität Augsburg.
In einem ersten theoretischen Teil im Pfarrsaal der Pfarrei Herz Jesu wurden Merkmale des instrumentalen Lernens sowie diverse Übemöglichkeiten vom „variablen Üben“ über das „vermischte Üben“ bis hin zum „differenziellen Üben“ vorgestellt. Am Nachmittag wurden die verschiedenen Übemöglichkeiten in einem zweiten praktischen Teil an der Orgel der Herz Jesu Kirche ausprobiert. Dabei wurde u.a. auch getestet wie sich Informationen und Bilder im Kopf der einzelnen Organisten auf das Vorspiel am Instrument auswirken.

Es war ein überaus spannender und sehr informativer Workshop. Hochkonzentriert folgten 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Ausführungen der Referentin und ließen sich dadurch zum Vertiefen der Thematik beim eigenen Üben anregen. Ein Workshop wie man sich ihn besser hätte nicht vorstellen können. Herzlichen Dank an Frau Dr. Andrea Kumpe für den überaus gelungenen Workshop.

Joachim Aßmann